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Johann Bertram Schaefer hat die Marburger Tapetenfabrik 1845 gegründet, 175 Jahre später feiert das Familienunternehmen die in der Branche seltene Zahl. Ein großes Event kann es aufgrund der Covid 19-Pandemie nicht geben, dafür lädt marburg an mehreren Tagen im November Kunden, Partner und Freunde des Hauses unter strengen Hygieneauflagen an den Firmensitz im mittelhessischen Kirchhain. Mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Marburger Tapetenfabrik, Ullrich Eitel, und seiner ältesten Tochter Constanze Eitel, die im Unternehmen in der sechsten Generation arbeitet, sprach eurodecor-Redakteur Alexander Radziwill.
Ullrich Eitel: Wir hatten im Frühjahr Kurzarbeit, bedingt durch Corona. Im März/April sind wir ziemlich runtergefahren, konnten dann aber ab Juni wieder Vollgas geben. Der Markt war ja in einigen Ländern einfach geschlossen, und das merkten wir natürlich. Frankreich, Russland und andere Märkte fielen komplett aus. Das hat sich inzwischen erholt. Wir haben das Niveau des vorangegangenen Jahres mehr oder weniger wieder aufgeholt und wir schließen 2020 mit einem leichten Plus ab. Die Tapete profitiert von Corona. Wer heute zu Hause ist, bedingt durch Kurzarbeit, wer nicht oder nur beschränkt reisen kann, wendet sich den eigenen vier Wänden zu. Schauen Sie sich auch die Zuwächse im Online-Handel an. Tapete ist ein begehrtes Gut im Wohnbereich. Jetzt wird vieles gemacht, was man sonst vor sich hergeschoben hat.
Ullrich Eitel: Die Kampagne kam zur richtigen Zeit und verstärkt den Trend. Ob der Trend durch die Kampagne entstanden ist oder durch Corona, möchte ich nicht kommentieren. Wichtig daran ist, dass der Schub vergrößert wird.
Constanze Eitel: Ich bin erst seit Juni fest im Betrieb. Davor habe ich die keimEx-Tapete betreut – ein antibakterieller Wandbelag zur Bekämpfung und Reduktion von Keimen und Bakterien. Seit Juli bin ich für den Handel in Österreich und Bayern zuständig und beschäftige mich zudem verstärkt mit Digitaldrucktapete. Diese Position habe ich von meiner Schwester Katharina übernommen, die derzeit im Mutterschutz ist.
Constanze Eitel: Bei meiner Schwester und meinem Bruder war das so, bei mir zunächst gar nicht. Ich war im Einzelhandel für Reitbedarfsartikel tätig, bin nun aber – bedingt durch das Enkelkind und auch durch Corona – auch eingestiegen.
Ullrich Eitel: Mein Sohn Paul hatte schon als kleiner Junge eine große Affinität zum Unternehmen. Diese Begeisterung hat sich früh gezeigt und hält bis heute. Er studiert derzeit in München Betriebswirtschaft und wird nach Ende des Studiums umfassender in die Firma eintreten.
Ullrich Eitel: Der feste Tag ist noch nicht benannt, aber irgendwann werde ich sagen: Jetzt ist Schluss. Ich bin schon 72, aber topfit. Aber irgendwann muss ich mich zurücknehmen; das ist der normale Gang der Dinge.
Ullrich Eitel: Wir haben im August die Entscheidung getroffen, nicht auszustellen. Da war für uns klar, dass die Messe aufgrund von Corona nicht stattfinden kann. Und so ist es dann ja auch gekommen.
Ullrich Eitel: Ich bin skeptisch. Ich denke auch nicht, dass der Termin realisiert werden kann. Es wird in Zukunft wohl mehr in virtuelle Messen gehen. Wir werden uns erst zu einem sehr späten Zeitpunkt für oder gegen eine Teilnahme im Mai entscheiden. Im Moment sehe ich da keine Veranlassung, sich aus dem Fenster zu lehnen.
Ullrich Eitel: Wer hätte geglaubt, dass sich das Internetbusiness auch für Tapete so entwickelt wie zuletzt? Wir sehen da Zuwächse von hundert Prozent und mehr. Wer hätte gedacht, dass ein optisch und haptisch wahrgenommenes Produkt sich über das Internet würde verkaufen lassen? Das ist aber der Fall. Handel und Kommunikation über das Internet werden zunehmen, gerade auch in Zeiten, in denen weniger gereist werden kann. Auch bei Tapete wird es zunehmend Wege geben, die Kunden virtuell zu erreichen.
Ullrich Eitel: Wir verkaufen nicht im Internet. Wir unterstützen unsere Kunden, indem wir Ihnen die Materialien liefern. Aber einen direkten Verkauf gibt es nicht. Der Verkauf läuft auch weiter ausschließlich über unsere Kunden, und wir haben nicht vor, hier mit einem webshop tätig zu werden.
Ullrich Eitel: Wir haben neue Kollektionen und werden unseren Kunden Neuheiten zeigen. Zum einen ist das die Schöner Wohnen-Kollektion. Wir haben übrigens schon vor rund vierzig Jahren mit Schöner Wohnen zusammengearbeitet und Kollektionen herausgegeben, mit Stoff und Tapete. Nun also folgt unsere zweite Schöner Wohnen-Kollektion. Ansonsten haben wir eine Heißprägekollektion; außerdem gibt es eine neue Crush-Kollektion und eine neue Digitaldruck-Kollektion.
Ullrich Eitel: Wir blicken im Rahmen der 175 Jahre auf diese Zusammenarbeiten zurück. Begonnen hat das 1972 mit der x-art Kollektion. Meine Eltern haben Künstler angesprochen, die später zu großer Blüte aufstreben sollten. Ich denke da an die Dokumenta in Kassel 1972, an Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely, Allen Jones und viele andere. Wir haben immer wieder daran angeknüpft und bedeutende Persönlichkeiten für uns gewinnen können. Die Idee, mit Künstlern oder Testimonials zu arbeiten, hat sich in der Branche längst etabliert. Wir sind da weiter auf der Suche nach geeigneten Namen. Gerhard Richter war leider für eine Kollektion mit uns nicht zu gewinnen, obwohl das eine tolle Sache gewesen wäre. Sein Konzept wäre für Tapete ganz hervorragend geeignet gewesen. Mit unserer Digitaldrucktechnik hätten wir das extrem gut realisieren können.
Ullrich Eitel: Wir haben zuletzt keimEx entwickelt, die antibakterielle Tapete, die mein Sohn und ich im Rahmen der Fernsehserie „Die Höhle der Löwen“ vorgestellt haben. Eine andere Entwicklung ist die Digitaldrucktechnik. Seit 1875 hat uns der Leimdruck begleitet, der durch Flexodruck, Tiefdruck, später durch Siebdruck abgelöst wurde. Digitaldruck ist die nächste Revolution. Da sind wir führend, auch weil wir sehr früh damit begonnen haben. Unsere neueste Digitaldruckmaschine, ein Prototyp, ist so schnell wie eine herkömmliche Druckmaschine, deswegen spreche ich gern von „Digitaldruck in Rotation“, obwohl hier der Rapport unendlich ist. Diese neue Technik bietet eine neue Dimension. Damit bieten wir jetzt die zwei Kollektionen an. Die Gruppe nennt sich „smart art“, die Kollektionen heißen „smart art Aspiration“ und „smart art easy“.
Ullrich Eitel: Das ist, was ich meine: Großmotive in Digitaldrucktechnik. Wir sehen da heute ein komplett neues Metier, wo Wandbilder in Unis oder korrespondierende Tapeten übergehen.
Alexander Radziwill

Ullrich Eitel, geschäftsführender Gesellschafter der Marburger Tapetenfabrik, und Constanze Eitel, seine älteste Tochter. In dem familiengeführten Unternehmen ist nun bereits die sechste Generation aktiv. (Foto: marburg)